
Gleichberechtigung - Equality

Frankfurt am Main [ENA] Die drei Pfeiler der neoliberalen Ideologie sind: Globalisierung, ungehinderte Finanzströme und Meritokratie. Meritokratie setzt die eigene Leistung als oberstes Prinzip. Der Gewinner verdient den Pokal, doch müssen die Wettbewerbsbedingungen gerecht sein.
Meritokratische Ideen sind die moralischen Begleiter der neoliberalen Globalisierung. Das Ergebnis ist, dass die Gewinner gefeiert werden und die Verlierer ignoriert und teilweise beschuldigt werden. Das erzeugt einen sozialen Druck auf die schwachen Gruppen der Gesellschaft. Bei vielen jungen Menschen führt das zu gesundheitlichen und mentalen Problemen. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssen sich in der Schule, in der Ausbildung und an der Universität ständig beweisen.
Die Chancengerechtigkeit muss sich bei den unteren Einkommensschichten verbessern. Alle Menschen haben Respekt und Anerkennung verdient. Die politische Debatte wird nicht mehr links gegen rechts geführt, vielmehr polarisieren sich die Meinungen in der Frage für oder gegen die Globalisierung. Denn in einer offenen, globalisierten Welt mit freien Strömen von Kapital und Menschen (Arbeit) zählt die Bildung. Sie ist das Rüstzeug, um sich im Wettbewerb durchzusetzen und damit auf der Gewinnerseite der globalen Ökonomie zu stehen. Die Regierung muss dafür sorgen, dass alle den gleichen Zugang zur Bildung bekommen, die gleichen Chancen, sich fortzubilden erhalten.
Die, die oben landen, glauben, dass sie es verdient haben. Die, die unten landen, glauben, dass sie ihr Schicksal ebenso verdient haben. Doch wenn die Chancen ungleich verteilt sind, spaltet sich die Gesellschaft. Die Eliten blicken auf die arbeitende Bevölkerung herab. Trump hat 77 Millionen Stimmen erhalten. Viele Stimmen kommen von den frustrierten Menschen, die ökonomisch durch die Globalisierung verloren haben. Die Arbeiter*innen der Autoindustrie rund um Detroit oder die Arbeiter der Rust Belt, die ehemaligen Zentren der Stahlindustrie verloren durch den globalen Wettbewerb ihre Jobs. Sie sind die Wähler von Trump, der die Schuld der Verschlechterung ihrer Lage, einzig auf die freien Märkte zurückführt.
Der Vize-Präsident J.D. Vance zählte sich selbst zu den « abgehängten » und bezeichnet diese Menschen als die Hinterwäldler »“Hillbilly Elegy“ – “Weiße in der Arbeiterschicht sind die pessimistischste Gruppe in Amerika. Pessimistischer als die Immigranten aus Lateinamerika. Viele von ihnen erfahren unbeschreibliche Armut, geringe soziale Mobilität, Scheidung, Drogenabhängigkeit – mein eigenes Zuhause war ein Zentrum des Elends. … ein Gefühl, dass du nur wenig Kontrolle über dein eigenes Leben hast, und ein Wille alle anderen dafür verantwortlich zu machen, nur nicht dich selbst.“ aus Hillbilly Elegy, A Memoir of a Family and Culture in Crisis, von J.D. Vance, 2017.
In der Meritokratie rechnen Unternehmer*innen sich den Erfolg selbst als ihr Verdienst an. Der erwirtschaftete Gewinn basiert auf der kollektiven Arbeit, den sozialen Produktivkräften, die im Laufe der Entwicklung sich herausbildeten. Eine Innovation setzt auf zuvor entwickelte auf und profitiert von den historisch, gesellschaftlichen Errungenschaften, die Millionen von Menschen erbracht haben. Joe Biden, der selbst keine Elite-Universität besuchte, setzte sich als Demokrat für einen gerechteren Zugang zu den Elite-Universitäten ein. Heute sind die Zugangsverfahren umstritten, da Geld und Einfluss der Eltern, den Kindern den Zugang ermöglichen, auch wenn sie nicht besser als andere qualifiziert sind.
In Deutschland haben wir kein strenges Zugangsverfahren für die Universitäten, da sie staatlich und studiengebührenfrei sind. Von vielen Seiten wird heute ein Universitätsstudium empfohlen, um dem Schicksal der stagnierenden, perspektivlosen Arbeiterschaft zu entkommen. Der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit sei höhere Bildung. Statistisch sind die Akademiker weniger von der Arbeitslosigkeit gefährdet als die Nicht-Akademiker. Einige Lösungen, die in eine gerechtere Zukunft führen, werden im Folgenden dargestellt.
Deliberative Demokratie: Die deliberative Demokratie ist mit der konsultativen Demokratie verwandt, bei der die öffentliche Konsultation der Bürger im Mittelpunkt der demokratischen Prozesse steht. Für bessere Entscheidungsfindungen werden zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger mit gleichen Rechten gehört. Ähnliche Modelle sind Geschworenengerichte, die sich aus normalen BürgerInnen zusammensetzen. Für die Kommunen können Bürgerräte eingerichtet werden. „House of Citzens“ statt „House of Lords“. Decommodification: Ein weiters Thema ist die „Decommodification“. Es geht darum, bestimmte Leistungen aus dem Markt zu nehmen und unter stattlicher Obhut, die Leistungen anzubieten. Z.B. Gesundheitsversorgung, Bildung, Mobilitätsdienste u.a.
Von 100 Nichtakademikerkindern beginnen nur 27 ein Studium; bei Akademikerkindern sind es 79. Die Bundestagsabgeordnete sind zu über 80% Akademiker, davon die meisten Juristen oder Steuerberater. Arbeiter oder Geringverdiener sind fast nicht darunter. Menschen ohne Universitätsabschluss sind im Parlament zu wenig vertreten. Progressive Steuersystem: Piketty stellt die Erfolge der wirtschaftlichen Entwicklung von 1700 bis 2020 in seinem Buch « Une brève historie de l’égalité » dar, indem er auf deutliche Verbesserungen in der Lebenserwartung, Alphabetisierung, Rückgang der Kindersterblichkeit und dem Einkommen verweist.
Im Jahr 2020 beträgt das Einkommen im Weltdurchschnitt 1.000 Euro pro Monat. In den armen Ländern sind es aber nur 200 – 300 Euro, während es in den reichen Ländern zwischen 3000 – 4000 Euro monatlich beträgt. (Seite 36). Die Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern, zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden ist erheblich. Die ungleiche Verteilung zeigt sich im Bruttosozialprodukt der Länder und ebenso sehr krass in der Emission von CO2 und anderen « externites », die negativen Auswirkungen auf die Erderwärmung haben, die Umwelt verschmutzen (Luft, Wasser) oder die Produktion von Plastikmüll durch Verpackungen erhöhen.
Die Top 1% der Emittenten sind für 14% der Emissionen verantwortlich. Das sind Nord Amerika (USA, Kanada), China und Europa. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten 40 Jahren verschlechtert. Für Frankreich liegen die Zahlen vor. 1980 besaßen die reichsten 10% 50% des Einkommens, die 50% ärmsten erreichten 10%. 2020 besaßen die reichsten 10% 57% des Einkommens, die 50% ärmsten erreichten 8%. (Piketty, Seite 68). Die Abstände zwischen den beiden Gruppen haben sich vergrößert. Die Einkommensungleichheit hat seit 1980 kontinuierlich zugenommen. Für Deutschland gilt: die Einkommensungleichheit hat im Jahr 2021 mit einem Wert von 0,31 einen neuen Höchststand seit der Wiedervereinigung erreicht.
Eine OECD weite Unternehmensbesteuerung von 15% sei angebracht. Eine Emissionssteuer auf CO2, solle europaweit eingeführt werden. In diesem Zusammenhang zeigt sich eine hohe Ungleichheit in der Verteilung der Emissionen. Eine pro-Kopf Emission für die Länder zeige, dass der globale Norden viel höhere Werte ausweist als der globale Süden. Der globale Süden sollte daher über eine Redistribution von Geldern von Nord nach Süd zum Ausgleich der Auswirkungen des Klimawandels erfolgen. Die Grenzen sollen offen sein. Eine freie Zirkulation von Arbeitskräften sollte ermöglicht werden.
Die Regierungen in Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben die Sorgen der Menschen, Sorgen wegen drohender Arbeitslosigkeit, zunehmen Wettbewerb, Erhöhung der Benzinpreise, höhere Kosten für Wohnungen bzw. Mieten, nicht ernst genommen und vernachlässigt. Das hat viele Menschen verunsichert und eine Erstarkung der rechten Parteien mitversursacht. Jetzt die Grenzen zu schließen bzw. verstärkt zu kontrollieren, ist das Einzige, was als Lösung immer wieder diskutiert wird. Die Grenzen zu kontrollieren ist aber nicht die Lösung.
Die Globalisierung ist nicht das Problem der Grenzen: Nestle, so berichtet die Frankfurter Rundschau am 29.04.2025 auf Seite 11, schließt ein Werk in Conow, Mecklenburg-Vorpommern. Hier beträgt der Stundenlohn 20 Euro. Im neuen Werk in Serbien zahlt Nestle 4,80 Euro Stundenlohn. Die Unternehmen agieren intranational, grenzenlos. Wir brauchen eine Anerkennungspolitik. Respekt und Anerkennung aller arbeitenden Menschen, ob Nicht-Akademiker oder Akademiker und gerechte Löhne könnten die Spaltung der Gesellschaft überwinden. Wenn Beschwerden berechtigt sind, sollten die transparent werden. Eine Stigmatisierung von sozialen Gruppen sollte ausbleiben.
Literatur: The Tyranny of Merit: What's Become of the Common Good? von Michael J. Sandel, 2021; Equality: What It Means and Why It Matters, Thomas Piketty und Michael Sandel, Januar 2025; Une brève histoire de l'égalité, von Thomas Piketty, 2021